Wie oft in den letzten 50 Jahren der Satz gefallen ist, dass "sie mir das Leben gerettet haben", lässt sich nicht auflisten. Doch ein paar Blitzlichter und Gedanken von Menschen, die sich momentan in der Betreuung der Suchtberatung finden, bieten Einblicke in das Seelenleben: "Verstanden werden", "Geborgenheit in der Gruppe", "Ich lerne zu verstehen, was mich in die Sucht trieb" oder "Ich fühle mich viel selbstsicherer".
50 Jahre Begleitung, Wege aus der Sucht, Menschen in ein neues, besseres Leben führen - das stand im Mittelpunkt einer kleinen Feierstunde, die im großen Festsaal des Franziskaners Schwäbisch Gmünd am Mittwochnachmittag stattfand. Regionalleiter Markus Mengemann freute sich gemeinsam mit Barbara Walter (Fachleitung Soziale Hilfen) sowie Monika Mayer (Leiterin des Caritas-Dienstes Suchthilfe) über das Dabeisein von Bürgermeister Julius Mihm, dem langjährigen ärztlichen Begleiter der ambulanten Suchttherapie, Dr. Klaus Riede, einem Vertreter der Selbsthilfegruppe Kreuzbund und jenen der örtlichen Presse.
"In den letzten 50 Jahren hat sich in der Suchtberatung vieles getan", führte Markus Mengemann in die Gesprächsrunde ein. Dabei lenkte er den Blick auf die flankierenden Problemlagen von Alkoholikern und auch auf die Kinder aus suchtbelasteten Familien: "Jedes sechste Kind ist betroffen", stellte Mengemann in den Raum. Dass Angebote weiter spezialisiert und die Prävention vorangetrieben werde, sehe er als Aufgabe der Zukunft. "Sucht begegnet uns überall und in allen sozialen Schichten".
Die Suchthilfe habe sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, weg von der reinen Klientenarbeit hin zu mehr Familienorientierung, so ließ die Suchtbeauftragte des Landkreises, Martina Marquardt in einem Grußwort wissen. Der Blick in Suchtfamilien erfordere besonders viel Feingefühl und sei eine große Herausforderung.
Den gesellschaftlichen Aspekt unterstrich Bürgermeister Julius Mihm. "Es ist gut, dass sie da sind", lobte er die Arbeit der Caritas-Suchthilfe. Es sei wichtig, niederschwellige Angebote zu machen, Präsenz zu zeigen. Wenn er auch eine gewisse Abwendung von Alkohol in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz wahrnehme, so sei doch die Gefahr vorhanden, in andere Abhängigkeiten zu schlittern. Möglichst viele Menschen mit den Angeboten der Suchtberatung zu erreichen, sei ein wichtiger Dienst vor Ort.
Der Blick auf den Anfang
Die Geschichte der Suchtberatung in Schwäbisch Gmünd begann 1970 mit der damals einzigen Fachkraft für Suchtkrankenhilfe, Hedwig Bundschuh, am Münsterplatz 3. Neun Jahre später eröffneten die psychosozialen Suchtberatungsstellen in Schwäbisch Gmünd, Aalen und Heidenheim. Thomas Schwendele war es, der 1983 die Leitung der Suchthilfe übernahm und ausbaute. Von diesem Zeitpunkt an gehörten auch die Beratungen bei Abusus von illegalen Drogen und die Einführung von Substitutionstherapien ins Portfolio. Ambulante Therapiegruppen kamen fünf Jahre später dazu. Diese Therapieform ist heute noch ein wichtiger Bestandteil beim Weg aus der Sucht. Vor 15 Jahren zog die Suchtberatung der Caritas in Gmünd an ihren heutigen Standort um. Im historischen Gebäude des Franziskaners und unter der Ägide von Monika Mayer, die seit 2009 die Leiterin des Caritas-Dienstes ist, durchlaufen rund 600 Frauen und Männer jährlich die Beratungsräume an den Standorten in Ost-Württemberg. "Der Vertrauensaufbau zu den Klienten ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit", berichtet die Sozialpädagogin einfühlsam von ihrer Arbeit.
Begleitet wird das insgesamt zehn MitarbeiterInnen (auf 6,5 Stellen) zählende Team von Dr. Klaus Riede, Arzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie und Suchttherapie. Seit 33 Jahren kümmert er sich um die medizinische Betreuung der KlientInnen während der ambulanten Alkoholtherapie. "Mir gefällt hier besonders die Arbeit in einem multiprofessionellen Team", sagte Riede. So schaffe man es gemeinsam, dass 80 Prozent der KlientInnen nach der Therapie abstinent leben können. Die ausgeprägte Reifung der Persönlichkeit, die mit einer Steigerung des Selbstwertgefühls und einer realistischen Einschätzung der eigenen Möglichkeiten einhergehe, seien die Erfolge für die Menschen. "Wir wollen in der Zukunft noch mehr Menschen erreichen und wir wollen sie früh erreichen", blickte Riede in die Zukunft.
Ein wichtiges Tool dabei ist die moderne Kommunikation. Barbara Walter führte aus, wie die Corona-Pandemie in diesem Fall eine positive Beschleunigung herbeiführte. Online-Beratungen auf sicheren Plattformen, das "Blended Counceling", das vorangetrieben wird, oder die Video-Sprechstunde gehören dazu. "So können wir Zug um Zug aus der klassischen Komm-Struktur aussteigen", so Barbara Walter. Dass die Hemmschwelle, eine Beratung aufzusuchen, dadurch fällt, ist selbsterklärend.
Sehr eindrücklich zeigten sich die Schilderungen eines Kreuzbund-Mitglieds. Ganz offen berichtete er von seinem eigenen Suchtverhalten, von den Lügen zu Beginn und der Verzweiflung am Ende. "Vielleicht", so sagte er, "sind Alkoholiker einen Ticken sensibler als andere Menschen". Die Selbsthilfegruppe sei für ihn ein "Freundeskreis im Stillen" und die Caritas schlichtweg eine "Lebensrettungsgemeinschaft".